Bericht 23: Das Blaue Band der Nordsee

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Es war ein Samstag. Das Schiff war voll mit Kohle, und so liefen wir unter dunklen Wolken, windigen Regenböen und mäßiger Publikumsbeteiligung am 3. Dezember nach Montevideo aus. Der Lotse machte seine Arbeit gut. In Bremerhaven machten wir noch einmal kurz an der Columbuskaje fest. Vor uns lag der schmucke Superliner  „SS United States“, die erst vor 3 Jahren in Dienst gestellt worden war.

 

 



Sie konnte entweder 2'000 Passagiere oder als Truppentransporter 15'000 Personen befördern. Nachdem das Schiff bereits auf der Jungfernfahrt nach Europa mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 35 Knoten(*) das Blaue Band ergattert hatte, war es als schnellstes Schiff auf dem Nordatlantik anerkannt.

(*) Anmerkung: Eine Seemeile (sml) gleich 1'852,2 km. Eine Seemeile pro Stunde ist gleich 1 Knoten. 35 Knoten (sml/Std) sind rund 65 Kilometer pro Stunde. 

 Nun lag sie kaum 100 Meter vor uns und sollte nur wenige Minuten nach uns auslaufen. Was nun unseren Kapitän geritten hatte, dem Kapitän der SS United States nicht nur einen Besuch abzustatten, sondern ihm auch noch einen Deal vorzuschlagen, verschlug uns allen die Sprache.

Wir erfuhren es, nachdem wir abgelegt hatten und uns Richtung Wesermündung zum Leuchtturm „Roter Sand“  befanden. Bei dem Deal ging es um nichts anderes als um das „Blaue Band der Nordsee“. Demjenigen, der die Strecke von Roter Sand bis Höhe Dover Mole am schnellsten schaffte, sollte diese Ehre zuteil werden und das Recht, am linken Anzugärmel unten ein blaues Band mit dem Namenszug des siegreichen Schiffes zu tragen. Das war verrückt! Doch unser Kapitän erläuterte: „Das wird nicht leicht sein, ist aber zu schaffen. Es ist eine Strecke von rund 600 Seemeilen (1'100 km). Wir haben den besten Westwind, und da wir nur halb so großen Tiefgang haben wie die, können wir ideal Strömungen und Ebbe und Flut ausnützen, was uns auf einigen Teilstrecken glatt einen Geschwindigkeitsvorteil von bis zu sieben Seemeilen in der Stunde verschaffen könnte. „Kinder“, fuhr er respektlos fort, „die SS United States wird wegen ungünstiger Wellen schwer rollen und nicht ihre volle Geschwindigkeit fahren können, wenn sie nicht alle Passagiere seekrank machen will. Wir dagegen werden mit einer  Schlagseite von 20-30 Grad ruhig in der See liegend unsere Höchstgeschwindigkeit mit etwas über 20 Knoten erreichen und  zusammen mit den Meeresströmungen könnte das  fast 50 Kilometer die Stunde bringen.“ Gesagt getan. Wer von uns wollte bei so einer Herausforderung abseits stehen.

 

 

 

Bis Roter Sand wurde nun alles festgezurrt, alles aufgeräumt, alles vorbereitet, alles kontrolliert. Nur, als wir den Leuchtturm in der Wesermündung erreicht hatten, war vom Wettbewerber nichts zu sehen. Der Kapitän wollte schon weiterfahren, doch wir protestierten mit der Begründung, dass wir, bei den tollen Segelbedingungen, die es die nächsten 24 Stunden nach seinen Erzählungen gäbe, drei Stunden Wartezeit spielend wieder heraussegeln würden. Nach 120 Minuten sahen wir zwei qualmende Schornsteine am südlichen Horizont.

Wir setzten den ersten Satz Segel, dann den zweiten, dann den dritten, und als die SS United States an Steuerbord quer ab war, alles was wir an Segel hatten und setzen konnten. Die Kapitäne nickten sich zu. Das Rennen hatte begonnen. Die See war rau. Der Konkurrent rollte und stampfte. Eine Stunde fuhren wir gleichauf, um dann weiter östlich auf die holländische Küste zuzusteuern. Schnell waren wir allein, die Nacht war angebrochen. Der Wind heulte mit 7-8 Windstärken. Kapitän und Offiziere waren in Dauerberatung und wir, das Deckpersonal, froren und klapperten und rissen an Tauen und drehten an Winden, was einen die Kälte vergessen ließ. Wenn, dann nur auf die schnelle, ließ man sich vom Koch oder Kochmaat einen heißen Tee oder eine Brühe geben, um sofort wieder die Stellung der Segel zu verbessern.

Geschwindigkeit, Geschwindigkeit war das Gebot der Stunde. Das gelang. Wir waren in Höchstform. Es war wie im Rausch. Die Zeit verlief schnell. Doch würde es ausreichen? Wer würde im Morgengrauen vor Dover zuerst auftauchen?

       Ab fünf Uhr in der Früh hatten wir unseren Kurs auf Südengland gerichtet. Wind und Strömung erlaubten uns, zwischen 35 und 50 km pro Stunde voranzukommen. Erst in zwei Stunden, beim Einsetzen des Tageslichts, würden wir wissen, wer die größeren Chancen hatte, am frühen Nachmittag als erster an Dover vorbeizukommen. Um 09 Uhr sah alles schlecht aus. SIE war vor uns, zwei bis drei Seemeilen, und noch vier Stunden bis Dover. Wir trimmten nochmals alles, aber der Abstand blieb.
       Doch plötzlich waren wir Ruck-Zuck vorbei und die SS United States fiel achteraus. Eine ihrer vier Turbinen musste für drei Stunden ausgeschaltet werden, übermittelte der Kapitän uns mit dem Glückwunsch zum „Blauen Band der Nordsee“, das wir mit Bravour ersegelt hätten.

Auch wir, die Decksjungen, wurden vom Kapitän gelobt mit der Maßgabe, dass nun die halbe Mannschaft für vier Stunden Freiwache hätte, während die anderen die günstigen Winde mit weiterem Einsatz voll nutzen sollten. Das blaue Band mit dem Namenszug PAMIR würde er in Südamerika besorgen - oder in Hamburg.

Zu Bericht 24

Zu allen Berichten Teil III


https://de.wikipedia.org/wiki/Blaues_Band
(seit 1929 - Erster Rekordhalter "Sirius" 1838)
Bremen Norddeutscher Lloyd  Juli 1929 27,83 Kn.  Juli 1929 27,91 Kn. 130.000 PSw 51.656 BRT D
Europa Norddeutscher Lloyd  Mär. 1930 27,91 Kn. 130.000 PSw 49.746 BRT D
Rex Italia S.A.N.  Aug. 1933 28,92 Kn. 142.000 PSw 51.062 BRT Italien
Normandie Compagnie Générale Transatlantique  Juni 1935 29,98 Kn.  Juni 1935 30,31 Kn. 165.000 PSw 79.280 BRT F
Queen Mary Cunard-White Star  Aug. 1936 30,14 Kn.  Aug. 1936 30,63 Kn. 200.000 PSw 80.774 BRT UK
United States United States Lines  Juli 1952 34,51 Kn  Juli 1952 35,59 Kn. 240.000 PSw 53.329 BRT USA
 



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erhältlich:

Arnd B. Arnd

 PAMIR

1955/56.

Ein Bilderbuch

mit ein paar

Berichten des

Schiffsjungen

Arnd

40 Berichte auf
ca. 190 Seiten
Photochrome mit
über 200 Photos

Herstellung und Verlag:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 9783848211319







 

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